»Die Qualität des Lichts ist für mich bedeutender als die Form.«

Ingo Maurer (*1932) ist seit Jahrzehnten einer der weltweit führenden Lichtdesigner. In der Ausstellung »Lightopia« ist Maurer mit mehreren Werken vertreten – von seiner ikonischen Leuchte »Bulb« (1966) bis zur LED-Leuchte »My New Flame« (2012), die zusammen mit Moritz Waldemeyer entstand. Kuratorin Jolanthe Kugler sprach mit Maurer über sein Werk und die Entwicklung des Lichtdesigns.

Seit bald 50 Jahren überraschen Sie jedes Jahr mit neuen Entwürfen. Wie kam es zum Entwurf Ihrer ersten Leuchte?

Ich hatte gerade einen Auftrag bekommen und musste dafür nach Venedig. Da gab es wunderbares Essen und ich trank dazu eine ganze Flasche Rotwein. Dann ging ich aufs Zimmer und da hing diese nackte Glühbirne. Es war wie ein … coup de foudre! Noch halb betrunken habe ich das Bild einer Lampe gezeichnet. Am nächsten Tag fuhr ich nach Murano mit eben dieser Idee in der Tasche. Innerhalb von eineinhalb Tagen fertigten sie sie an. Wieder zu Hause, entwarf ich den Fuß aus gedrücktem Metall dazu: Die Bulb war geboren!

Wie ging es danach weiter?

Zu dieser Zeit war mir die Form noch sehr wichtig, ähnlich wie den großen italienischen Designern, etwa Achille Castiglioni und Vico Magistretti. Doch ich merkte ziemlich schnell, dass die Qualität des Lichts für mich bedeutender ist als die Form, und so habe ich mich darauf konzentriert. Dann kamen meine Fächerlampen (Uchiwa I, 1973) in Mode, auch das eine interessante Geschichte. Ich reiste nach Japan und gelangte zu einem großen Meister der Fächerherstellung. Mit diesem Mann, Shigeki-San, konnte ich zwar nicht reden, aber wir verstanden uns intuitiv unglaublich gut – und plötzlich hatte ich 21 Leute, die Fächerlampen für mich machten und die ich für ein Jahr beschäftigen musste … So bin ich in die japanische Kultur hineingerutscht und das hat mich noch enger zum Licht gebracht.

Sie nannten Magistretti und Castiglioni – gab es wechselseitige Einflüsse?

Vico Magistretti und ich haben uns sehr gemocht und uns immer wieder gegenseitig besucht. Einmal stellte ich auf der Euroluce einen Entwurf vor, der hatte die Form einer Flasche mit einem Schirm darauf. Magistretti sah ihn und sagte: »Das ist sehr schön, was du da gemacht hast; wunderbar!« Auf der nächsten Messe präsentierte der Hersteller Oluce dann Atollo (1977). Dass Magistretti sich von meiner Flasche dazu hat inspirieren lassen, das gestand er mir später!

Für jedes wichtige Thema der letzten 50 Jahre gibt es einen technischen Beitrag oder eine formale Innovation aus Ihrer Werkstatt. Woher stammte denn der Einfall zu YaYaHo?

Das war an einem Neujahrsmorgen auf Haiti, den ich mit Freunden verbrachte. Es gab dort einen kleinen Platz, wo eine riesige Glühbirne hing, die an die Leitung gelötet war, ohne Stecker oder zusätzliche Verbindung. Ich war so in Trance, so begeistert davon, dass ich daraus etwas machen wollte. Zurück in New York fingen wir in meiner Firma Design M damit an, Schnüre zu spannen für erste Versuche, wie so etwas aussehen könnte.

Sehr oft vermischen sich in Ihren Entwürfen modernste Technik mit herkömmlichen Leuchten-Typologien oder archaischen Leuchtmitteln, etwa bei My New Flame (mit Moritz Waldemeyer, 2012) …

Das geschieht eher unbewusst, ich bin eigentlich überhaupt recht weit entfernt von intellektuellen Überlegungen … Entwürfe mit neuen Technologien entstehen aus dem Experiment. Als ich auf einer Serviette einen Lüster skizziert habe, dachte ich, eigentlich müsste das jetzt leuchten und glitzern. So kamen wir zu den LEDs, einer Technik, die ja bereits 1906 von General Electric entwickelt wurde. Wichtig ist aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Menschen, bei der neue Ideen, neue Ansätze entstehen, wie etwa bei My New Flame (2012) mit Moritz Waldemeyer.

Neben LEDs werden zunehmend auch OLEDLeuchten eingesetzt, sehen Sie auch darin eine große Zukunft?

Auch die »New York Times« hat mich in einem Interview gefragt, wie ich die OLEDs finde. Ich erwiderte, dass ich sie mir nur in Kombination mit einem anderen Leuchtmittel wirklich gut vorstellen könne. Es sind sicherlich neue gestalterische Herausforderungen zu bewältigen. Man könnte mit ihnen beispielsweise grafisch arbeiten. Ich würde OLEDs in Kombination mit einem anderen Licht oder auch integriert in eine farbige Fläche verwenden, ganz spielerisch. Ich arbeite gerade an einem neuen Entwurf mit OLEDs, es soll sogar ein Outdoor-Produkt werden. Eine Lösung für die technische Umsetzung habe ich bereits, aber gestalterisch muss ich noch feilen …


Weitere Informationen zur Ausstellung »Lightopia«