BLESS N° 56 Worker’s Delight

10.06.2016 – 09.10.2016

Vitra Design Museum Gallery

Die zwei Designerinnen von BLESS arbeiten seit 1997 gemeinsam an transdisziplinären Projekten. In ihren Produkten vermischen sich Mode und Kunst, Design und Architektur, Business und soziale Praxis. Gestaltung verstehen sie als Lebenshaltung: „Das, was wir tun, ergibt sich aus der Situation in der wir leben.“ Ihre Produkte sind reich an Details, sie collagieren verschiedenartige Materialien, Muster und Farben, Funktionen und Themen. BLESS möchte mit Objekten, Kleidern und Raumgestaltungen Situationen schaffen, die unbeschwert, gemütlich und inspirierend sind.Seit vielen Jahren beschäftigt sich das Designduo in verschiedenen Projekten mit dem Arbeitsalltag. Für die partizipative Rauminstallation BLESS N° 56 Worker’s Delight verwandeln sie die Vitra Design Museum Gallery in einen experimentellen Arbeitsort. Die für das Projekt entstandenen Möbel und Objekte bieten unerwartete Möglichkeiten für eine tägliche Büroarbeit in Bewegung und eine Restrukturierung des Arbeitsalltags vor dem Computer. Ihr Arbeitsalltag und der einer deutlichen Mehrheit ist von Büroarbeit am Computer bestimmt. Über 50 Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiteten beispielsweise im Jahr 2015 in Dientsleistungsbereichen als Bürobeschäftigte. Seit der drastischen Zunahme von Bürotätigkeiten im Zuge der industriellen Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts und dem Wandel zu einer wissensbasierten Ökonomie seit den 1960er Jahren wird stetig versucht mit Hilfe von technischen Geräten und Möbeln die Arbeitsleistung zu steigern, und für dieses Ziel auch Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. Mithilfe von Handbüchern, Ratgebern und Arbeitsnormen sowie technoiden Büromöbeln und –geräten wird eine ergonomische Arbeitswelt geschaffen. Dabei entstehen Rahmenbedingungen und Handlungsmuster, welche die Bedürfnisse an die sich der Büromensch anpassen soll erst kreieren und die natürlicherweise gar nicht existieren.Schon im Jahr 1838 beschrieb der französische Schriftsteller Honoré de Balzac das Büro als die „Schale des Beamten“. Büromensch und Büroraum bilden eine Einheit, wobei oft der Raum den Menschen dominiert, wahlweise im Ökotop des kubischen Zellenbüros oder in frei organisierten Großraumbürolandschaften mit Kommunikationsinseln, Erholungskojen und non-territorialen Arbeitsplätzen, wie beispielsweise in den idealisierten Officewelten der Informationstechnologie- und Hightech-Unternehmen im Silicon Valley. Meist wird der Büromensch ergonomisch vor dem Schreibtisch arretiert, frei und zugleich dressiert. BLESS geht es nicht um die Optimierung und Leistungssteigerung, welche bezeichnend ist für die Geschichte der Büroergonomie. Das Projekt Worker’s Delight bricht diese Mechanismen auf. Wenn Sie auf dem „Workoutcomputer“ eine Nachricht boxen, lässt sich die Arbeitsleistung nicht im Rahmen einer Norm bemessen. Durch die physische Anstrengung wird uns auf ungewohnt körperliche Art und Weise bewusst, wie reguliert wir sonst in gekrümmter Haltung vor dem Computer bei ergonomisch ermittelter und in DIN-Normen festgeschriebener Bildwiederholfrequenz und Bildauflösung, die von der Arbeit am Bildschirm gestellte Sehaufgabe, mehrere Stunden lang ohne körperliche Funktionsausfalle bewältigen (Vgl. Schmidt, Die Ordnung des Büros, 2008).Mit den „Arbeitssportgeräten“ artikuliert BLESS ihre Verwunderung über die herkömmliche Ästhetik von ergonomischen Möbeln und Hometrainern, die meist wie Fremdkörper in Wohn- oder Büroräu-men stehen. Durch die Applikation vertrauter Materialien aus dem Wohnbereich wird diese Diskre-panz aufgehoben. Es entstehen irritierende und heitere „Geräte“, die bestätigen wie befreiend es sein kann, sich und seine Performance nicht stets so verbissen und ernst zu nehmen.Mit Worker’s Delight sucht BLESS nach einem Alltagsrhythmus aus Anspannung und Entspannung, in dem sie ohne Gesundheitsapps und Trainingspläne, sondern in der Interaktion mit ihrer gestalteten Umgebung körperliche Ermüdung, Konzentration und Muße erfahrbar machen und eigenverantwortlich dosieren.Worker’s Delight ist ein verheißungsvoller Ort, er strahlt eine warme Atmosphäre aus und ist ein Ansporn zum konzentrierten Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen. BLESS entwickelt damit eine ungewöhnliche Einstellung zur Büroarbeit, die sie der vermeintlich freien und flexiblen Arbeitswelt gegenüberstellen, um Aspekte wie eine verinnerlichte Effizienzsteigerung und die belächelte Gesundheitsförderung neu zu diskutieren. Alle Installationen und Objekte im Raum können genutzt werden. Bei einzelnen Objekten finden Sie Hinweise zur Nutzung auf der Objektbeschriftung.