Visiona 1970

Revisiting the Future
07.02. – 01.06.2014

Vitra Design Museum Gallery

Von 1968 bis 1972 mietete der Chemiekonzern Bayer jeweils während der Kölner Möbelmesse ein Ausflugsschiff, welches von bekannten Designern in einen temporären Ausstellungsraum zum Thema »Wohnen heute« umgewandelt wurde. Vorgestellt wurden hier die neusten Entwicklungen im Textilsektor, wobei auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Darstellung verschiedener Warengruppen und der Selbstdarstellung der verarbeitenden Betriebe geachtet wurde. Durch die Zusammenarbeit mit namhaften zeitgenössischen Designern wollte man die technischen Möglichkeiten und praktischen Anwendungen der von Bayer hergestellten Kunstfasern mit ästhetischen und künstlerischen Ansprüchen erweitern, wobei der Designer als Bindeglied zwischen Hersteller und Endverbraucher fungieren sollte. Dank der Designer Verner Panton (»Visiona 0«, 1968 und »Visiona 2«, 1970), Joe Colombo (»Visiona 1«, 1969) und Olivier Mourgue (»Visiona 3«, 1971) gelten die Visiona-Ausstellungen noch immer als beispielhaft für die avantgardistischen Wohnkonzepte der späten 1960er und frühen 1970er Jahre. Sie boten den Designern eine Plattform zur Präsentation neuer, revolutionärer Ideen, förderten die öffentliche Diskussion um die kulturelle Bedeutung des Wohnens und vermittelten der Wirtschaft neue Impulse. Verner Pantons Interesse an neuen Materialien und seine Erfahrungen im Textilbereich bildeten die optimale Grundvoraussetzung für seine wegweisenden Gestaltungsentwürfe »Visiona 0« (1968) und »Visiona 2« (1970), Traumräume und Raumträume in ungewöhnlichen Formen und Farben, die sich über den gesamten Innenraum des Schiffes erstreckten. Ließ sich die »Visiona 0« noch als Abschied von traditionellen Wohnformen beschreiben, so war die »Visiona 2« ganz auf die Frage nach dem Wohnen von morgen ausgerichtet. Sie brach das traditionelle Raumverständnis mit seinen klaren Zuordnungen von Funktionen auf, um eine Umgebung zu schaffen, die dem Wohlbefinden, der Kommunikation und der Erholung gewidmet war. Dafür entwarf Panton zahlreiche Designobjekte wie Möbel, Textilien, Leuchten, Wand- und Deckenverkleidungen, die in äußerst fantasievollen Arrangements eine Abfolge unterschiedlichster Räume bildeten. Als integrativen Bestandteil der Installationen entwickelte er sowohl das Lichtkonzept als auch die atmosphärische Untermalung der einzelnen Räume mit verschiedenen Klängen wie beispielsweise Nachtigallengesang, Uhu-Stimmen, Bienensummen, Katzengejammer oder Wellengeräuschen. Die »Phantasy Landscape« (auch Wohnhöhle genannt) auf dem Hauptdeck der »Loreley«, allgemein als der eindrücklichste Raum der »Visiona 2« im Gedächtnis geblieben, kann als Höhepunkt der kreativen Vision Pantons bezeichnet werden. Dieser Raum warf alle traditionellen Architekturvorstellungen über den Haufen: Böden, Wände, Decken und Möblierung schienen aus einem einzigen Guss geformt. Der fensterlose Raum war ohne Verbindung zur Außenwelt und stellte sich als eine organische Landschaft dar, charakterisiert durch geschwungene Formen, die aus dem Material selber herausgeschnitten schienen. Die Elemente in unterschiedlichen Blau- und Rotschattierungen waren wie eine Multiplikation seines berühmten Living Towers hintereinander aufgereiht: die Blautöne außen, die Rottöne immer heller werdend im Inneren, sodass das psychedelische Raumgefüge von innen heraus zu glühen schien. Während die Entwürfe von Pantons Zeitgenossen oftmals Assoziationen mit dem Weltraum hervorriefen, suchte Pantons bewohnbare Skulptur mit ihren warmen Farben und weichen
Textilien das Innenleben der Menschen in eine äußere Form zu bringen.