»Design ist nie neutral«


»Design ist nie neutral« war eine der wichtigsten Botschaften Victor J. Papaneks (1923 – 1998). Um herauszufinden, was dies 20 Jahre nach dem Tod des Designers bedeutet, sprach das Vitra Design Museum mit Professor Alison J. Clarke, Direktorin der Victor J. Papanek Foundation an der Universität für angewandte Kunst Wien und Co-Kuratorin der Ausstellung »Victor Papanek: The Politics of Design«.

Wer ist Victor Papanek? Was macht seine heutige Bedeutung aus?

Meiner Ansicht nach ist Papanek der Pionier des sozialen Designs. Er war einer der ersten Designer, die aktiv die Vorstellung infrage stellten, Design sei lediglich ein Vehikel zur Verbreitung der kapitalistischen Konsumkultur. Von den späten 1960er Jahren bis in die frühen 1970er – zu einer Zeit, in der der Konsumüberfluss einen Höhepunkt erreicht hatte – fand seine Stimme Gehör. Er bezweifelte, dass es beim Design allein darum gehen könne, Dinge schön aussehen zu lassen, Formen zu entwerfen oder Gegenstände für die Reichen und Spielsachen für Erwachsene zu kreieren. Stattdessen trat er für ein Konzept von Design als transformative Tätigkeit ein. Designer könnten die Welt verändern und sie sozial integrativer machen.

Was bedeutet der Untertitel der Ausstellung, »The Politics of Design«? War Papanek ein politischer Mensch?

Was sein politisches Profil betrifft, griff er eher die Entwicklungen seiner Zeit auf. Er nutzte aktuelle politische Einflussmöglichkeiten und den Aktivismus einer neuen Generation von Designstudenten, die die Welt verändern wollten. Sie wollten nicht bloß Konsumgegenstände oder Wegwerfkultur erschaffen, sondern sich für etwas engagieren, das über sie selbst hinauswies, und die Beziehung zwischen Design und Umwelt kritisch hinterfragen.

Wie kann Design politisch sein?

Design ist immer politisch, weil es dabei um die Veränderung einer materiellen Welt geht. Bestimmte Menschen werden einbezogen, andere ausgeschlossen, ob durch funktionelles Design, den Preis oder die Zugänglichkeit. In den 1960er und frühen 1970er Jahren wurde es jedoch offen politisch, als Designer sich erstmals in der Lage fühlten, die materielle und soziale Welt zu verändern. Heute erleben wir eine vollständige Neuerfindung dieses Moments in Gestalt einer Designpraxis, die sich als weitgreifende transdisziplinäre Tätigkeit versteht.

Warum wurden heutige Designarbeiten in die Ausstellung aufgenommen?

Papaneks Ideen sind auch für uns heute noch nachvollziehbar. Er stellte kritische Fragen und sah im Design mehr als das Erzeugen begehrenswerter Dinge. Nur sehr wenige Designer unserer Zeit geben sich damit zufrieden und das Entwerfen ist zu einer offenkundig politischen Tätigkeit geworden. In einer Welt der Überfülle und der massiven sozialen Ungerechtigkeit kann man kein Designer sein, ohne sich politisch zu engagieren. Designer sind wichtige Vermittler, die Fragen aufwerfen und nicht nur einfache Lösungen anbieten. Die fundamentalen politischen Probleme, die Papanek ansprach, sind immer noch präsent. Die zeitgenössischen Arbeiten greifen einige dieser Fragen auf.

Was sollten Besucher aus der Ausstellung mitnehmen?

Der übergeordnete Gedanke ist der, dass Design nie neutral ist. Designer sind stets in irgendeiner Form politisch aktiv. Es muss nicht unbedingt Parteipolitik oder das Eintreten für einen bestimmten Standpunkt sein, aber das, was sie der Welt geben, hat Auswirkungen. Außerdem haben auch wir eine Verantwortung. Es besteht nicht einfach eine lineare Beziehung, in der Designer Dinge entwerfen, die wir konsumieren. Die Beziehung ist symbiotisch. Was wir als Konsumenten oder Bürger fordern und uns vorstellen, muss in den Designprozess zurückfließen. Wir alle sind verantwortlich für die Sachen, die uns umgeben. Sie sind nicht nur die Angelegenheit von Firma A oder Designer B. Es gibt einen ganzen Kosmos an Bedürfnissen und Notwendigkeiten, die wir zum Thema machen sollten. In diesem Zusammenspiel ist keiner von uns unschuldig. Wir sind alle daran beteiligt.

Alle Informationen zur Ausstellung finden Sie hier.