»Interesse an einfach allem«
Charles und Ray Eames zählen zu den berühmtesten Designern der Geschichte, doch in unserem Wissen über ihr Leben und Werk gibt es noch zahlreiche Lücken und verklärende Legenden. Im Interview mit Eames Demetrios, Enkel von Charles Eames und Leiter des Eames Office, gehen Ausstellungskuratorin Jolanthe Kugler und Museumsdirektor Mateo Kries dem Wesen der Zusammenarbeit des legendären Paares nach.
Wie haben sich Charles und Ray eigentlich kennengelernt?
Charles und Ray lernten sich an der Cranbrook Academy kennen; Ray war Kunststudentin, Charles Dozent. Er arbeitete damals mit Eero Saarinen an Entwürfen für den Wettbewerb »Organic Design in Home Furnishings« des Museum of Modern Art. Einige der Studierenden halfen ihnen dabei – darunter auch Ray. Beide befanden sich in einer Übergangsphase ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung, beide suchten ganz bewusst nach einem Weg, der eher ihrem Weltbild und ihren Gestaltungsmöglichkeiten entsprach.
Worum ging es ihnen bei ihrer Zusammenarbeit?
Bei dieser Frage sind Charles’ Briefe an Ray aus der Zeit vor ihrer Heirat eine wichtige Quelle. Sie haben mir sehr geholfen, diese beiden Menschen in ihrem Wesen zu verstehen. Schon vor ihrer Heirat stellten sie sich das gemeinsame Leben nicht ausschließlich als Liebesgeschichte vor, sondern als Partnerschaft, die auch beruflich sein sollte. Das ist ungewöhnlich, aber irgendwie auch besonders romantisch. In den Briefen wird sehr deutlich, dass es ihnen um das gemeinsame Entdecken und Erforschen von Ideen, Design, Film und allem Möglichen ging. Ray war ein unglaublich neugieriger Mensch. Sie verschlang einfach alles – zeigte Interesse an einfach allem. Zu der Kunstszene, in der sie sich bewegte, gehörten auch Lee Krasner, Jackson Pollock und Robert De Niro Sr. Charles war zuvor acht Monate in Mexiko umhergereist, wo er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt und malte. Dabei wurde ihm klar, wie reich das Leben der Dorfbewohner bei aller materiellen Armut doch war. Sie hatten zwar kein Geld, aber eine sehr vielfältige Kultur und ein intensives Gefühls- und Seelenleben. Er kam zu dem Schluss, dass man eigentlich nicht viel zum Leben braucht. Dass er doch seinen Lebensunterhalt verdienen müsse, wollte er von nun an nicht mehr als Rechtfertigung für Tätigkeiten akzeptieren, an die er eigentlich nicht glaubte. Damit gab er seinem Leben eine völlig neue Richtung. Nach dieser Maxime lebten Ray und er ihr ganzes Leben.
Die Eames schufen über 100 Möbelentwürfe und fast genau so viele Filme und Ausstellungen. Was stand hinter dieser Herangehensweise? Worum ging es ihnen bei der Gestaltung von Dingen, die ganz anders waren als Möbel?
Zunächst einmal hätten Charles und Ray vielleicht sogar der Annahme widersprochen, dass diese Dinge sich grundsätzlich vom Möbeldesign unterscheiden. Die Arbeitsvorgänge und ihre Arbeitsweise waren im Grunde genommen immer ähnlich. Bei der Auseinandersetzung mit einem neuen Medium gab es immer einen Punkt, an dem nur die beiden ganz für sich arbeiteten. Sie wollten etwas lernen können. Das ist der rote Faden bei all ihren Tätigkeiten: das spielerische Erkunden.
Sie sprechen von den beiden immer als Einheit. Gab es eine klare Rollenverteilung oder waren die Übergänge eher fließend?
Dieses Schubladendenken ist sehr weit verbreitet. Im Eames House hörte ich einmal einen Besucher sagen: »Oh, Charles war doch ganz bestimmt für das Tragwerk verantwortlich und Ray für die Gestaltung der Innenräume.« Dazu kann ich nur sagen, dass ich kein einziges Ehepaar kenne, bei dem alles so vollkommen festgelegt ist. Natürlich hat jeder seine Vorlieben, aber jede Beziehung ist komplex, und die Beziehung von Charles und Ray war sehr intensiv und vielschichtig. Von beiden gibt es Skizzen aus allen Phasen der Entwicklung des Entwurfs für das Eames House. Sogar an der Farbgestaltung – die doch gerne Ray zugeschrieben wird – haben beide gearbeitet und müssen also gelegentlich auch allein für sich gezeichnet haben. Dieser Hang zur genauen Rollenverteilung und groben Vereinfachung ihrer Beziehung ist doch verrückt.