»Im Nachtclub manifestieren sich die Trends der Popkultur.«

Ian Schrager gründete 1977 mit seinem Geschäftspartner Steve Rubell das Studio 54 in New York, bis heute nicht zuletzt wegen der illustren Gäste die wohl bekannteste Disco aller Zeiten. Chefkurator Jochen Eisenbrand sprach mit dem erfolgreichen Hotelier und Immobilienunternehmer.
  
Mr. Schrager, das Studio 54 war die perfekte Bühne für das beispiellose und atemberaubende Zusammentreffen von Berühmtheiten und Partygästen. Wen haben Sie für das Design von Studio 54 ausgesucht?

Ron Dowd und Scott Bromley, einen Architekten in Rons Büro. Außerdem entschieden wir uns für den Lichtdesigner Brian Thompson und einen Floristen, Renny Reynolds, der bei unseren Veranstaltungen und Partys zum Einsatz kam. Ich habe mich auf den Geschmack und das Urteilsvermögen des Floristen und des Lichtdesigners auf eine Weise verlassen, die über ihre ätherischen Disziplinen, über Beleuchtung und Blumenschmuck weit hinausging.

Was war der Grundgedanke Ihrer Innenraumgestaltung?

Der gesamte Raum wurde in sechs Wochen gestaltet, für grundsätzliche Überlegungen war da keine Zeit! Hightech erschien gerade als Designästhetik am Horizont. Ron beschäftigte sich mit den Zikkurats des Art déco und dem Hightech-Formenreichtum. Sein Design war sehr schlicht, spielte aber eine große Rolle, weil der Club nicht einfach schwarz gestrichen und so dunkel war, dass man nichts bemerkt hätte; er hatte seinen Stil und seine Raffinessen. Studio 54 war der erste Nachtclub seiner Art – in dem Tanzen das Wichtigste war.

Wie haben Sie es angestellt, dass Tanzen zur Hauptsache wurde?

Wir haben die Tanzfläche ähnlich von den anderen Bereichen abgetrennt, wie im Theater die Sitzplätze von der Bühne getrennt sind. Problematisch wurde es, als die Lichtdesigner dieser Bereiche auch die Beleuchtung der Tanzfläche gestalten wollten, wo wir einen anderen, sehr technischen Ansatz verfolgten. Die Beleuchtung der Ruheräume musste weich und stilvoll sein; sie sollte das Design und die architektonischen Formen hervorheben, und da gilt »Weniger ist mehr«. Bei der Beleuchtung der Tanzfläche wollten wir dagegen ein »Mehr ist mehr«. Wir haben uns an Jules Fisher und Paul Marantz gewandt. Die Kombination von Architektur- und Theaterbeleuchtung schuf einen Raum, in dem die Menschen gut aussahen und sich gut fühlten; das war der Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg des Clubs.

Die Zusammensetzung des Publikums war ein wichtiger Bestandteil des Studio 54. Können Sie die Einlasskriterien beschreiben?

Darum kümmerte sich mein Partner Steve Rubell. Unsere Grundidee war, wir schmeißen eine Party, also wollten wir Leute, die Stimmung machen. Spaßbremsen konnten wir nicht brauchen. Es gibt nichts Langweiligeres als eine Gruppe reicher Leute, die eine andere Gruppe reicher Leute beobachtet. Im Studio konnte ein schwuler Friseur mit nacktem Oberkörper mit einer Mätresse tanzen, die ihre Diamanten im Dutzend billiger bekam. Das erzeugte eine ungeheure Energie. Wir wollten Leute aus allen sozialen Schichten, und es spielte keine Rolle, wie reich oder erfolgreich jemand war. Und die Frauen sollten nicht das Gefühl haben,  dass die Männer sie ständig anbaggerten. Alle sollten sich frei und entspannt fühlen, das Studio sollte ein Zufluchtsort sein. Darauf haben unsere Türsteher geachtet. Für uns galten an diesem öffentlichen Veranstaltungsort dieselben Kriterien, nach denen man bei einer privaten Tischgesellschaft einen redseligen Menschen vielleicht gerade neben einen großen Schweiger platziert.

Nach Ihrer Nachtclub-Phase sind Sie in die Hotelbranche gegangen. Was haben Sie in den Nachtclubs gelernt, was Sie auf Hotels übertragen konnten?

Die Clubs waren ein großartiges Übungsgelände, weil es in einem Nachtclub kein deutlich erkennbares Produkt gibt; alles hängt von der Magie ab, die man selbst erschafft, dem Ausnahmezustand, den Sinnesreizen. Als ich in die Hotelbranche gegangen bin – wo das Produkt ein Bett ist –, habe ich diese Einstellung beibehalten. Ich glaube aber, diese Magie könnte ich bei allem erschaffen. Ich frage mich manchmal, warum sich alle Welt so für Nachtclubs interessiert. Ich sehe den Grund darin, dass die ganze Populärkultur von dort ausgeht. In letzter Konsequenz nehmen alle populärkulturellen Trends in Nachtclubs konkrete Formen an.