»Ich möchte verstehen, wie Design mit dem Leben verbunden ist«

Konstantin Grcic ist einer der wichtigsten Designer unserer Zeit. Seine Entwürfe verbinden industrielle Ästhetik mit experimentellen, künstlerischen Elementen, sie sind ernsthaft und funktional, sperrig und teilweise irritierend.  Kuratorin Janna Lipsky sprach mit Grcic über sein Designverständnis, über seine Inspirationen und über den Beginn seiner Laufbahn.

Können Sie beschreiben, was Design ist?

Design ist das Abenteuer, nicht genau zu wissen, was bei einem kreativen Prozess herauskommt. Ich weigere mich, irgendwelche vorgefassten Vorstellungen von Funktionalität, von Komfort und Schönheit zu haben. Ich möchte verstehen, wie Design mit dem Leben verbunden ist. Die Tatsache, dass das Leben nicht perfekt ist, macht es umso interessanter. Es ist also in Ordnung, wenn die Produkte ein bisschen widerspenstig sind. Meine Entwürfe offenbaren sich nicht auf den ersten Blick. Sie tun, wozu sie entworfen worden sind, sind funktional, aber zur gleichen Zeit hinterfragen sie ihre eigene Funktionalität und fordern den Benutzer auf, dies ebenfalls zu tun.

Nach der Schule haben Sie eine Lehre zum Schreiner gemacht. Wie kam es dann, dass Sie Designer geworden sind?


Ich habe in den 1980er-Jahren eine Schreinerlehre in England gemacht. Meine Schwester lebte damals in Wien, wo eine Ausstellung über Achille Castiglioni gezeigt wurde. Ich kannte Castiglioni nicht, aber meine Schwester schickte mir den Ausstellungskatalog, und der hat mich begeistert. Im Katalog kamen nicht nur die Werke vor, sondern auch der Mensch Castiglioni: Er war ja damals schon alt und noch so neugierig und agil! Ich habe zu dieser Zeit selbst überlegt: Was will ich eigentlich machen? Und ich glaube, man braucht dann nicht nur etwas, was einen interessiert, sondern auch Vorbilder. Castiglioni war
für mich so jemand und plötzlich dachte ich, ich könnte Designer werden.

Sie haben dann Design am Royal College of Art in London studiert und in München das Büro KGID gegründet. In Ihrem Büro umgeben Sie sich mit vielen Fundstücken, Design- und Kunstobjekten. Welche Bedeutung haben diese Objekte für Sie?


Ich fange mal an mit einer Teekanne aus Blech, die ich gekauft habe, als ich aus England nach München gezogen bin. Im Grunde ist das der Anfang meines Büros. Ich liebe dieses Ding und benutze es immer noch täglich. Dann der Stuhl, auf dem ich sitze: Es ist der Box Chair von Enzo Mari. Ich kann immer wieder staunen über diesen Stuhl, dessen Form und Gestalt so extrem geprägt sind durch seine Direktheit und Pragmatik. Dann gibt es dieses Plakat einer Marcel-Duchamp-Ausstellung aus den 1960er-Jahren. Es ist einfach ein sehr schönes Plakat, das für eine Zeit und für eine Kunstrichtung steht – eine konzeptionelle, radikale und auch sehr intellektuelle. Eine schöne Gruppe von drei Dingen, diese Teekanne, ein Stuhl und ein Bild.

Und wie sieht ein Arbeitsprozess aus? Hat jedes Projekt einen roten Faden?

Ja, ein Projekt braucht eine starke Idee. Das klingt jetzt wie eine Formel, ist es aber nicht. Der Prozess ist irgendwie anders und komplizierter, aber man kommt dann im Rückschluss immer wieder drauf: »Ah ja, diese eine Idee war es, die das ganze Projekt getragen hat.« Die Idee oder was immer es ist, die kann man nicht forcieren. Das ist die Herausforderung und gleichzeitig das Ungewisse. Die gute Idee entsteht aus einer Mischung: Aus Recherche, Ausprobieren und Nachdenken, dann aber muss es auch diesen genialen Moment geben. Aus dem erarbeiteten Material und den Gedanken entsteht so eine Art chemische Reaktion, das Ganze wird potenziert, und irgendwie wird aus all diesen Fragmenten etwas viel Größeres.

Die Ausstellung »Panorama« zeigt Ihr bisheriges Werk, wagt aber auch einen Blick in die Zukunft des Designs. Wie entstand dieses Projekt?

Ich war nie an einer klassischen Werkschau interessiert. Vielmehr wollte ich die Ausstellung als eigenständige Arbeit verstehen, als Designprojekt. Im Dialog mit Mateo Kries ist die Idee entstanden, dass es dabei um den Diskurs von Zukunft gehen sollte. Als Industriedesigner ist das gar nicht so außergewöhnlich, aber die Ausstellung bot die Gelegenheit zu einer viel programmatischeren und umfassenderen Auseinandersetzung mit dem
Thema. Die Schau wird zum Statement meiner persönlichen Sicht auf die Zukunft. Gleichzeitig regt die subjektive Aussage auch zur Betrachtung anderer Interpretationen an. Die klaren Bilder der Zukunft sind Klischees der Vergangenheit. Sich heute mit Zukunft auseinanderzusetzen, bedeutet, sich auf eine Vielzahl subtiler Fragestellungen einzulassen.