»Ich mache keine Witze!«

Erwin Wurm im Gespräch

Der österreichische Bildhauer und Installationskünstler Erwin Wurm ist einer der erfolgreichsten und beliebtesten Künstler unserer Zeit. In einer einmaligen Präsentation inszeniert er für die Vitra Design Museum Gallery einige bekannte sowie neue und eigens für diese Sonderausstellung angefertigte Werke. Kurator Mathias Schwartz-Clauss sprach mit Erwin Wurm über seine Arbeiten.

Soll der Humor Ihrer Arbeiten befreiend wirken oder soll einem das Lachen eher im Hals stecken bleiben?

Ich mache keine Witze! Die Perspektive, aus der ich unsere Zeit untersuche, mag für Einige schräg und komisch rüberkommen, aber in Wahrheit sind es Themen die einem nahe gehen sollen. Das Lachen soll einem also eher im Halse stecken bleiben. Schließlich versäumt man über das Lachen leicht, sich genauer mit etwas zu beschäftigen. Der Humor ist für mich also eher eine Methode, die Aufmerksamkeit zu wecken, letztlich soll er zu einem umso genaueren Hinschauen führen.

Ihre Arbeiten kreisen um Gebrauchsgegenstände und alltägliche Situationen. Würden Sie sich als ein Pop-Künstler der Gegenwart verstehen?

Ich hätte nichts gegen die Bezeichnung, weil ich von Anfang an versucht habe, mein Metier in Relation zum Hier und Jetzt und Heute unserer Existenz auszuüben. Andy Warhol war einer der ersten, die die Kunst entscheidend um das Thema des Konsums erweitert haben. Etwas, das vorher für die Kunst Tabu war –die Autounfälle, das Dollarzeichen oder den Gossip – hat er in die Kunst geholt. Vermutlich hat das auch mit seiner Herkunft von der Schaufensterdekoration zu tun: die Pop-Künstler waren am Alltag einfach näher dran als all diejenigen, die von der Kunstakademie gekommen sind und überlieferte Themen vorgesetzt bekamen. Wenn meine Arbeit als Fortsetzung dieser Fragen gesehen wird, ist das sicher nicht falsch.

Das Thema der Öffentlichkeit ist in der Pop Art ganz zentral und gerade die Bildhauerei ist dazu prädestiniert, öffentlich zu wirken. In welchem Verhältnis stehen dazu die Typen, die Sie charakterisieren, aber auch Ihre eigene Präsenz in manchen Arbeiten?

Was ich verarbeite sind vor allem die Bruchstellen zwischen privaten Bedürfnissen und dem, wie sich diese Bedürfnisse nach außen hin darstellen beziehungsweise umgekehrt, was die Gesellschaft von einem will und wie sie unsere Bedürfnisse verändert. Nehmen wir zum Beispiel die Werbung oder die Fotografie: sie haben schon vor weit über 100 Jahren das Bild, das wir von uns selbst haben, entscheidend verändert. Durch die heutigen Medien ist Jeder mehr und mehr öffentliche Person. Ständig sehen wir uns irgendwo abgebildet und dargestellt, und das gilt längst nicht nur für die Promis. Allein 900 Millionen Facebook-Nutzer steuern aktiv dazu bei, dass die Veröffentlichung, die Verallgemeinerung der Privatheit immer eklatanter wird. Ich gehöre nicht zu diesen Usern und trete auch in meiner Arbeit eher in den Hintergrund. Sogar bei performativen Skulpturen wie den sogenannten „One Minute Sculptures“ bin ich eher der Regisseur oder Autor. Dort allerdings, wo ich den Künstler thematisiere, habe ich mich ins Spiel gebracht – einfach weil ich für mich am ehesten erreichbar war.

Ihre Motive sind vor allen Dingen Kleidung, Möbel, Autos und Häuser – Objekte, die eng mit der Persönlichkeit zusammenhängen und mit denen wir uns gerne identifizieren. Warum führen Sie gerade die ad absurdum?

Ich kann noch nicht einmal sagen warum aber genau das interessiert mich. Bestimmte Männer schmücken sich mit bestimmten Autos, bestimmte Frauen mit bestimmten Männern, mit Gegenständen oder Kleidern. Man sucht sich aus, wie man dargestellt sein will, und es gibt hunderttausend Möglichkeiten sich selbst zu erfinden. All das erzählt nicht nur viel über uns sondern auch über uns als politische Wesen und unser Verhältnis zur Gesamtheit der Gesellschaft. Da gibt es eine permanente Interaktion, die gar nicht weit entfernt ist vom Beuys‘schen Kunstbegriff der sozialen Skulptur.

Vor einigen Jahren haben Sie für Hermès, eine der bedeutendsten Luxusmarken weltweit, gearbeitet. Wo sehen Sie den Grenzverlauf, der Sie als Künstler davor warnt, vom Kommerz nicht vereinnahmt zu werden?

Natürlich gibt es solche Grenzen. Über die Anfrage, ob ich die „Monde Hermès“ künstlerisch interpretieren wolle, habe ich lange nachgedacht aber mich dann dafür entschieden, weil das heute etwas anderes ist als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren. Die Modewelt ist viel kunstaffiner geworden und auch die Welt der Kunst ist von Mode durchdrungen. In der Tat sind für mich Modedesigner wie Alexander McQueen großartige Künstler. Vor allem aber habe ich für Hermès keine Werbung gemacht und kein einziges Foto oder Sujet darf als Werbung verwendet werden; sie durfte die Arbeiten lediglich ausstellen und in einem firmeneigenen Magazin abbilden. Mich hat das gereizt weil, das ein absolutes Luxussegment ist. Ich konnte mir ja nicht vorstellen, wie schräg und unglaublich das alles ist. Ein Beispiel hat mich völlig fasziniert: Kapuzenjacken, sogenannte „Hoodies“, die doch geradezu ein Synonym sind für Jugendbewegung und Auflehnung, gibt es dort als sündhaft teure Garderobe aus Nilkrokodil für 80.000 Euro pro Jacke. Das fand ich extrem interessant, denn zu so einer Jacke braucht man eigentlich gar nichts zu sagen, die braucht man nur auszustellen – und das hab ich dann auch gemacht.

Wenn Design auch Kunst sein kann, kann Kunst dann auch Design sein?

Produktdesign hat ja eine bestimmte Zielrichtung. Es geht ja darum, einen Gegenstand so zu gestalten, dass Form und Funktion in irgendeiner Weise korrespondieren. Beim einen steht die Funktion eher im Vordergrund, beim anderen die Form. Das Design kann sich aber auch davon befreien und etwas anders schaffen, das Kunstcharakter hat. Kunst aber kann deswegen schlechterdings Design sein, weil sie sich genau dann nicht mehr befreien sondern einengen lassen würde. Nur solange sich Kunst diesen Freiraum behält und mit Themen des Designs hantiert, bleibt sie Kunst.