After the Wall. Design seit 1989

26.10.2019 – 23.02.2020

Vitra Schaudepot

Dreißig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer widmet sich die Ausstellung »After the Wall. Design seit 1989« im Vitra Schaudepot dem Design der vergangenen drei Jahrzehnte. Anlässlich des 30. Geburtstags des Vitra Design Museums wird dabei der Einfluss der weitreichenden technischen, kulturellen und soziopolitischen Umbrüche auf das Design dieser Zeit in den Blick genommen. Die Ausstellung zeigt Schlüsselwerke aus den Bereichen Produktdesign, Möbeldesign, oder Grafik, etwa von Jasper Morrison, Philippe Starck, Hella Jongerius, Muji oder IKEA. Sie umfasst aber auch aktuelle Entwürfe junger zeitgenössischer Designer, die einen Ausblick auf die Zukunft erlauben. Die Exponate zeigen, dass sich viele der globalen Umbrüche der letzten 30 Jahre auch im Design spiegeln: von einem wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit bis hin zu großen gesellschaftlichen Umwälzungen durch die Öffnung des Internets für die zivile Nutzung im Jahr 1989. Letzteres hat zu einer wahren Informationsflut sowie zu einer radikalen Beschleunigung unseres Alltags geführt, die auch Designer maßgeblich vorangetrieben haben – etwa mit dem ersten iPhone 2007. Jedoch weisen auch viele der gezeigten Werke auf kritische Denkweisen hin, die zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Konsum, Technologie und Ressourcen beitragen wollen.

Während das westliche Design der 1980er Jahre noch von einem postmodernen Überschwang geprägt war, zeichneten sich die 1990er Jahre durch einen Hang zu Reduktion und Schlichtheit aus. Führende Modedesigner wie Calvin Klein verwandelten diesen in eine massentaugliche Modeästhetik, während in der Automobilbranche die 1994 gegründete neue Kompaktwagen-Marke »smart« für Furore sorgte. Bereits 1988 hatte der Designer Jasper Morrison mit seinem »Plywood Chair« ein Symbol der »neuen Einfachheit« geschaffen, die später die gesamte Möbelbranche erfasste. Dies zeigte sich etwa in Maarten Van Severens Stuhl »CN° II« (1992), aber auch in Produkten des schwedischen Möbelgiganten IKEA, die spätestens in den 1990er Jahren in fast alle westlichen Wohnzimmer einzogen. In den 90er Jahren entstanden aber auch eigentümliche Entwürfe wie Tejo Remys Kommode »You Can’t Lay Down Your Memory« (1991), die aus ausrangierten, billig gefertigten Schubladen zusammengesetzt ist, oder Hella Jongerius Tafelservice »B-Set« (1997), bei dem die kleinen Fehler der seriell gefertigten Stücke Teil des Konzepts sind. Stilprägend für diese Tendenz wurde das 1993 gegründete holländische Designkollektiv Droog, dessen Entwürfe mit subtiler Ironie angereichert sind und beiden Designern zu Bekanntheit verhalf.

Die 1990er waren auch das Jahrzehnt, in dem das Internet seinen Durchbruch erlebte: Schon 1989 waren die ersten kommerziellen Internetanbieter entstanden, 1993 ging der erste Webbrowser online. Die Entstehung des Internets führte zu einem Boom in der Kommunikation von Marken und Luxusartikeln, wobei vor allem bildhafte und einprägsame Entwürfe im Vorteil waren – man denke nur an Philippe Starcks Zitronenpresse »Juicy Salif« (1990) oder Michael Youngs »Dog House for Magis« (2001). Zugleich wurde die Gestaltung von digitalen Oberflächen und Inhalten zu einem wichtigen neuen Betätigungsfeld für Designer. Das lässt sich beispielsweise an den Emojis ablesen, die Shigetaka Kurita erstmals Ende der 1990er Jahre als Satz von 176 Stück für den japanischen Mobilfunkanbieter Docomo entwarf und die in der Ausstellung zu sehen sein werden.

Das Aufkommen von computergestützter Gestaltung und Fertigung beeinflusste auch die Form von Alltagsgegenständen und spiegelt sich in einer technoiden Ästhetik, die sich beispielsweise an vielen Apple Geräten dieser Zeit ablesen lässt. Ab den 2000er Jahren ermöglichten digital gesteuerte Fertigungsmethoden, wie das 3D-Drucken, eine immer schnellere Umsetzung neuer Prototypen und führten zu Experimenten, die das Potential für die Serienfertigung ausloteten. Eines der ersten Beispiele dafür ist Patrick Jouins Stuhl »Solid C2« (2004). Die Ausstellung »After the Wall« beleuchtet aber auch die wachsende Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit im Design, etwa mit dem Stuhl »111 Navy Chair« (2010) von Emeco, der aus 111 recycelten PET-Flaschen besteht, dem »Well Proven Chair« (2012) von Marjan van Aubel und James Shaw, der durch die Mischung von Bio-Harz mit Holzabfällen entsteht und dem »Recycled Carbon Chair« (2016) von Marleen Kaptein, der Kohlefaserreste in ein Möbel verwandelt.

Die Ausstellung zeigt etliche weitere Beispiele dafür, wie Designer auch seit der Jahrtausendwende gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln und sie zugleich mitbestimmen – von der Gestaltung der ersten Euro-Scheine (2002) bis hin zur Einführung des ersten iPhones (2007) durch Apple, das unsere Art zu kommunizieren, zu arbeiten und zu leben radikal verändert hat. Die Finanzkrise 2008 und ihre Folgen führte unter Designern zu einer zunehmenden Politisierung, die sich nicht zuletzt in konzeptionellen Entwürfen und Projekten mit gesellschaftlichem Bezug äußerte. So finden wir in Van Bo Le-Mentzels »Hartz-IV«-Möbeln die Suche nach kostengünstigen Produkten für die Masse, während das Wiener Designstudio mischer’traxler mit seiner »Relumine«-Reihe (2010) die Idee des »Hacking« auf Lichtobjekte überträgt, indem existierende Leuchten einfach abgewandelt und so bearbeitet werden, dass sie mit energiesparenden Glühbirnen betrieben werden können. Selbst die viel beschworene Krise der Europäischen Union fand ihren Widerhall im Design, darunter in Hauke Odendahls Stuhl »Union« (2019). Dieser besteht aus einem Bausatz von 28 gleichen, blauen Stäben, die jeweils einen EU-Mitgliedstaat symbolisieren: jeder kann sich gemäß seiner politischen Meinung daraus einen Stuhl und somit sein eigenes Europa zusammenbauen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die in den vergangenen 30 Jahren entstandenen Objekte der Sammlung des Vitra Design Museums, gleichzeitig wirft sie anhand dieser weitreichende Fragen auf: Welche Rolle spielt Design in unserer jüngsten Zeitgeschichte? Wie beeinflussen wir durch unser Konsumverhalten die Welt in der wir leben – und wie beeinflusst sie uns? Und was wird wohl als Nächstes kommen?

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