»Wasn’t there something else yesterday?«
Im Jahr 2000 gründeten die Brüder Tim Edler und Jan Edler unter dem Namen realities:united ihr Studio für Kunst, Architektur und Technologie. Die »Meister des Lichts« gelten als Experten für Medienfassaden und digitale Oberflächen an Gebäuden, für Licht in der Architektur. Kuratorin Jolanthe Kugler sprach mit ihnen über ihr Werk und ihren Umgang mit Licht.
Ihr seid international tätig und werdet in der Regel von Architekten angefragt, gemeinsam mit ihnen eine mediale Fassade zu entwerfen. Der Ausbildung nach seid ihr Architekten. Wie und wann kamt ihr zum Licht?
Wir sind ausgebildete Architekten und arbeiten schon immer an der Grenze zwischen Kunst und Architektur. Zur Zeit ist einer unserer primären Arbeitsbereiche Kunst im öffentlichen Raum – und zum Thema Licht und Medienfassaden sind wir eher zufällig gekommen. Den Anstoß dazu gab das Projekt BIX mit Peter Cook für das Kunsthaus in Graz. Bei der Zusammenarbeit mit ihm haben wir uns gefragt, wie wir die kommunikative Kraft der Architektur aufrechterhalten können – bei einem Entwurf, der eigentlich als transparentes Gebäude geplant, im Endergebnis aber nicht mehr transparent war. Wir haben versucht, dem Bau die kommunikative Fähigkeit einer transparenten Architektur zurückzugeben – eben auf medialem Wege. Dahinter steckte weniger der Wunsch, Medienfassadenspezialist zu werden, sondern wir dachten einfach darüber nach: Wie kann sich diese Architektur mitteilen? Auch die vielen Fassaden, die dann folgten, sind in diesem Sinne ein Forschungsprozess; man kann ganz gut ablesen, wie sich der Prozess weiterentwickelt hat. Eine mögliche Leitfrage für uns könnte sein: Was ist der Pixel der Architektur? – Er muss nicht aus Licht bestehen, sondern kann auch etwas ganz anderes sein. Letztendlich geht es darum, wie sich Architektur verhält oder was mit ihr passiert, wenn sie dynamisch wird. Das ist ein alter Traum der Architektur. So sind Licht und Medientechnik heute geeignete und verfügbare Technologien, um die kybernetischen Fassaden oder robotischen Architekturen, von denen Peter Cook schon in den 1960er Jahren geträumt hat, in ersten Ansätzen zu realisieren. Morgen sind es dann vielleicht ganz andere Technologien.
Ihr habt bereits Ende der 1990er Jahre erste Lichtprojekte realisiert. Darunter auch LiMo im Monbijoupark, Berlin, wo ihr die alten Straßenlaternen mit neuen Leuchtstoffröhren ausgestattet habt, die wie ein Heiligenschein um den Laternenmast montiert wurden. Wie kam es zu diesem Projekt?
Damals hatten wir unser erstes Atelier. Zusammen mit Freunden haben wir den Kunstverein »Kunst und Technik« gegründet. Die Baracke der ehemaligen Tierversuchsanstalt der Charité im Monbijoupark haben wir als Labor, Ausstellungs- und Clubraum genutzt. Eben eine dieser typischen Restflächen im Osten, wo keiner wusste, was er damit anfangen sollte. Selbst der Monbijoupark war zu der Zeit, obwohl sehr zentral, Niemandsland und eben auch nicht beleuchtet. Die ehemaligen Ostlaternen im Park waren »tot«, also haben wir den Park illuminiert und das als Kunstprojekt getarnt. Wir haben die Leuchtstoffröhren wie Parasiten an die toten Straßenlaternen drangehängt und das Stromsponsoring dafür besorgt, damit die Stadt kein Geld ausgeben musste. So ist das entstanden. LiMo – Licht im Monbijoupark (1997).
Habt ihr damals zum ersten Mal mit den Leuchtstoffringen gearbeitet?
Ja, und auch aus den Fehlern haben wir gelernt. Weil die Röhren frei im Park hingen, sagten alle, sie würden sofort zerstört. Die meisten gingen aber nicht durch Steinewerfer kaputt, denn die Leute hatten offensichtlich Respekt oder fanden sie gut, sondern weil wir die Endstücke der Leuchtstoffringe vergossen hatten, damit sie wasserdicht sind. Sie haben die thermischen Spannungen nicht ausgehalten; das war also ein reiner Konstruktionsfehler.
Du hast vorhin vom Mitteilungspotenzial der Architektur gesprochen. Warum sollte Architektur kommunizieren?
Das tut sie doch immer. Und wenn die Architektur selbst nicht darüber nachdenkt, tun das andere; vor allem mit dem Aufkommen neuer Technologien, die man sinnvoll nutzen kann. Die Werbung fängt oft damit an und versucht, die Architektur zu instrumentalisieren. Nach unserer Vorstellung sollte allerdings dadurch die eigentliche Funktion der Fassade als Vermittler zwischen innen und außen nicht verändert werden.
Welche Art von Kommunikation strebt ihr an? Ihr macht ja keine klassischen Medienfassaden, wie sie so häufig zu sehen sind, wo vor ein bestehendes Gebäude ein Bildschirm gehängt wird, sondern geht viel weiter. Die Gebäude bekommen eine neue Tiefe durch eure Interventionen; sie reagieren unterschiedlich auf Tag und Nacht, erhalten häufig tagsüber zusätzlich eine grafische Komponente, die sich aus den Zeichnungen der Leuchtmittel an der Fassade ergeben. Wie wichtig sind für euch die Tag- und Nachtansichten eines Gebäudes und in welcher Beziehung stehen sie zueinander?
Für unsere Begriffe zeugt es von einem Missverständnis zu denken, wir kleben einfach Bildschirme auf Häuser und übertragen damit das Fernsehformat, das Filmformat oder den Computerbildschirm auf das Gebäude. Warum sollte man das tun? Wir suchen also nach anderen Lösungen; da geht es um Größenmaßstäbe, um Aspekte der Sichtbarkeit bei Tag und Nacht. Wir experimentieren damit, mit Leuchten grafische Ebenen oder eine Dreidimensionalität herzustellen, mit der solche Installationen auch tagsüber dem Gebäude ein Gesicht verleihen. Ganz besonders bei dem Projekt Crystal Mesh (2009) in Singapur, wo die Fassade eben tatsächlich zu einer dreidimensionalen Haut wird, die sich über das Gebäude legt und am Tag dem Gebäude genauso viel gibt wie nachts. Bei der Fassade C4 für das Medienkunstzentrum von Nieto Sobejano in Córdoba (2012) ist es genauso. Das ist eben diese Pixel-Forschung, von der ich geredet habe: Wir arbeiten oft mit rudimentären Auflösungen und bedienen nicht die Erwartungshaltungen daran, was ein Bildschirm zu sein hat. Es muss ja nicht immer HD und Vollfarbe sein; viel wichtiger ist, dass etwas ortspezifisch entwickelt wird. Viele der Fassaden, die wir gemacht haben, sind eher Plattformen, für die Künstler wechselnde Inhalte produzieren sollten – etwa beim Kunsthaus Graz. Das funktioniert bei einigen Projekten gut, bei anderen scheiterte es komplett. Heute haben daher viele Projekte einen klar von uns definierten, spezifischen künstlerischen Inhalt.
Welche Rolle spielt der Betrachter bei euren Fassadenkonzeptionen, was soll er wahrnehmen? Ist er ausschlaggebend für das, was auf der Fassade geschieht?
Natürlich! Wenn beispielsweise ein Künstler für unsere Fassade am Kunsthaus Graz oder in Córdoba eine Arbeit macht, kann das durchaus Interaktion beinhalten, weil die von uns entwickelte Software offen genug ist, dies zuzulassen. Andererseits sehen wir Interaktion nicht als reinen Selbstzweck, weil man nie den Verdacht loswird, dass am Ende der Gestalter einfach die Verantwortung an jemand anderen abgeben wollte. Viele der Interaktionsprojekte, die wir heutzutage etwa aus der Kunst kennen, sorgen nur für kurzzeitige Begeisterung, weil man ein bisschen was machen kann – aber richtig mitteilen kann man eigentlich nichts. Und viele Sachen sind eher reaktiv als interaktiv. Man könnte natürlich sagen, ein Lichtschalter ist interaktiv – und das ist er ja auch: Ich kann damit das Licht ein- und ausschalten. Aber wie kann ich damit einen wirklichen Mehrwert produzieren? In Toronto machen wir jetzt tatsächlich das erste Mal selbst eine interaktive Arbeit – LightSpell (2010). Für die U-Bahnstation Steeles West von Will Alsop entsteht ein Hybrid aus pragmatischen Beleuchtungssystemen und Kunst am Bau. Von der Decke hängen ähnlich der digitalen Anzeige eines Radioweckers 16 Segmentanzeigen, und die Leute können mit ganz normalen Tastaturen, die am U-Bahnhof bereitstehen, darauf Texte und Zahlen schreiben. Ihr Text erscheint sofort und beleuchtet den Bahnhof unabhängig davon, was geschrieben wird, mit derselben Beleuchtungsintensität, weil der Computer die Lampen entsprechend dimmt. Das Projekt haben wir explizit ohne die Möglichkeit der Zensur geplant. Der Kreativität sollen keine Grenzen gesetzt, sondern sie soll angespornt werden. Die Segmentanzeigen, die man normalerweise immer auf einem Bildschirm sieht, bilden, frei in den Raum gehängt, eine Art digitalen Kronleuchter. Der Gedanke dahinter ist, dass wir nichts hinzufügen, sondern die ohnehin nötige pragmatische Technologie – die Beleuchtung – noch anderweitig nutzen. Etwas Ähnliches passiert auch bei NIX, einem Konzept zur Beleuchtungsorchestrierung von Hochhäusern (2005), welches wir im Rahmen eines Auftrags zur Entwicklung der nächtlichen Gestalt des EZB Neubaus von Coop Himmelb(l)au in Frankfurt am Main bereits bis zur Ausschreibungsreife gebracht haben. Ein modernes Bürogebäude ist ja voll mit Gebäudeautomationen, Licht- und Sonnenschutzsystemen, die alle zentral gesteuert und eigentlich nur von der pragmatischen Nutzerseite her gedacht werden, leider aber nicht als ein auf einmal potenziell gestaltgebendes Element der Architektur. Und genau das tut NIX – die pragmatische Beleuchtung wird als Mitteilungsgeber instrumentalisiert, sie durchdringt die Architektur; man benutzt nur das intelligent, was eigentlich schon da ist und was der Architektur eine neue Fähigkeit einhaucht. Der Architekturkritiker Andreas Ruby hat das mal die »Tiefenmassage der Architektur« genannt. Das ist, wie ich finde, ein sehr schönes Bild. Leider wird es in Frankfurt nicht umgesetzt.
Wenn Außenwände nicht mehr aus Stein sein müssen, sondern die Fassade durch etwas anderes ersetzt wird – was wird dann aus der Architektur?
Ja, man könnte entsetzt sein, weil die Architektur lange versucht hat, sich vom Ornament und von den Bildern zu lösen – und jetzt kommen Leute auf einmal mit diesen blöden Medien an und kleben die Bilder wieder drauf. Man darf das eben nicht unreflektiert tun, sondern muss es aus der Architektur heraus entwickelt.
Es entsteht immer eine Spannung zwischen eurer Arbeit und dem Gebäude. Nehmen wir beispielsweise das Projekt Crystal Mesh in Singapur – das ist eine Fassade mit extrem starkem Ausdruck.
Das stimmt. Dort war es so, dass die Architekten – WOHA aus Singapur – unsere Arbeit kennengelernt hatten und die Betonfassade des Baus mit einer Glasfassade einkleiden wollten. Diese Glasfassade war eigentlich nur dafür da, dass wir unsere Lampen aus Graz in den Zwischenraum hängen. Wir sagten ihnen, dass wir es zweifelhaft finden, eine Glasfassade zu bauen, die das Haus gar nicht braucht und schlugen vor, dass sie uns das Budget der Glasfassade »übereignen«. Wir würden ein Konzept entwickeln, das dem Gebäude eben auch am Tag eine gewisse Tiefe und Dynamik verleiht. So entstand dieses Kleid aus tiefgezogenen Polycarbonat-Körpern, die innen Reflektoren haben, die im Sonnenlicht glitzern. Ein anderes in dieser Hinsicht interessantes Projekt ist aktuell ein Hochhaus in Indien, wo wir die gesamte Fassadenentwicklung in der Konzeptionsphase mitmachen. Die Auftraggeber kamen zu uns, weil sie diese Elemente von Crystal Mesh aus Singapur für ihre Fassade kaufen wollten. Wir haben ihnen gesagt, dass wir kein Lampenhersteller sind. Stattdessen schlugen wir ihnen eine Fassade vor, die Aspekte des Sonnenschutzes berücksichtigt, sich aber auch mitteilen kann, da es sich um ein Haus für die Bollywood-Industrie handelt. Zusammenfassend kann man also sagen, dass wir keine fertigen Lösungen, sondern Konzepte liefern, die immer auf den Kontext angepasst sind.
Wie verlief der Prozess bei eurer Zusammenarbeit mit Nieto Sobejano Arquitectos in Córdoba?
Nieto Sobejano hatten den Wettbewerb für das Medienkunstzentrum in Cordobà gewonnen und als Teil ihres Beitrags vorgeschlagen, die Fassade zum Fluss Guadalquivir als Medienfassade zu gestalten, mit der Künstler arbeiten und so mit der Umgebung kommunizieren können. Ihr Vorschlag war, diese Medienfassade perforiert auszubilden als Betonfassade mit runden Löchern, hinter denen bunte Leuchtstoffröhren hängen. Als wir hinzugezogen wurden, sahen wir, dass die Idee des Lichts hinter der Fassade schlecht funktionieren würde, weil eine Art Lochmaske entstünde. Deshalb haben wir das Licht vorne auf die Fassade geholt, wo es sich ausbreiten kann und die innere Struktur des Gebäudes typografisch in Pixeln aufgelöst. Die Form dieser hexagonalen Strukturen ist angelehnt an diese Grundrissorganisation des Gebäudes, die die Architekten wiederum durch die Begeisterung für Tessellations-Muster entwickelt haben. Weil wenig Geld vorhanden war, mussten wir große Pixel machen. Da aber das Gebäude 110 Meter lang und nur 11 Meter hoch ist, konnte man nur wenig Information in der Höhe und viel in der Breite platzieren – es lässt sich also sehr wenig darstellen. Deshalb führten wir Bereiche mit unterschiedlichen Pixelgrößen und –Dichten ein. Die Hypothese war eine Fassade, die ähnlich funktioniert wie das menschliche Auge. Es ja so konstruiert, dass man im Zentrum des Auges relativ viele Rezeptoren hat, die Information liefern, und am Augenrand relativ wenig. Es schaut ja nicht nur unser Auge, sondern letzten Endes unser Gehirn. Der Mensch denkt, er sieht ein scharfes Bild – das tut er aber gar nicht, sondern der Kopf gaukelt einem das vor, weil er weiß, dass es so sein muss. Und so funktioniert diese Fassade auch – wenn man die verschiedenen, unterschiedlich aufgelösten Bereiche bespielt, zieht das Auge die Information zusammen und erkennt, was auf der Fassade passiert.
Bei der klassischen Architektur bleibt es dem Passanten überlassen, ob er innehalten und ein Gebäude betrachten möchte oder nicht. Medienfassaden lassen einem diesbezüglich keine Wahl: Sie sind da und heischen mit flimmernden Bildern und wechselndem Licht um Aufmerksamkeit. Wie geht ihr mit dieser Kontroverse um? Gehen die Gebäude jemals schlafen?
Die Art der Installationen, die wir bisher realisiert und gedacht haben, erlauben ja eben nicht, jedes x-beliebige Video auf ihnen zu zeigen. Dafür sind sie zu grob aufgelöst, zu beschränkt, zu kantig. Hier wird es notwendig, maßgeschneiderte, sehr minimale Inhalte zu entwickeln, die sich mit dem spezifischen Ort und den besonderen Voraussetzungen der Installation auseinandersetzen. Interessant war in diesem Zusammenhang unser Projekt Spots (2005) am Potsdamer Platz. Dort realisierten wir eine temporäre Installation, die eigentlich dazu diente, die Immobilie zu vermarkten. Wir überzeugten den Auftraggeber dann davon, ein reines Kunstprogramm zu realisieren: Im Rahmen von kuratierten »Ausstellungen« wurden Arbeiten von Künstlern wie Carsten Nicolai, Jonathan Monk oder Terry Gilliam für die Fassade entwickelt. Sie wurden jeweils exklusiv für vier bis sechs Wochen auf der Fassade gezeigt. Auch schlugen wir vor, die Fassade montags ruhen zu lassen, Museen haben montags ja auch zu. Außerdem gab es eine Art Schlafmodus für spät in der Nacht, wie die Schlummerleuchte am Computer. Übrigens werden unsere neueren Arbeiten latent immer langsamer...
Wie entwickelt ihr die Projektionen, die Bilder, die auf der Fassade erscheinen?
Dabei beziehen wir uns oft darauf, wie die Proportionen oder die Pixel an der Fassade gelagert sind, oder aber auf Potentiale im Umfeld. Bei der Installation AAMP in Singapur (2008) beispielsweise haben wir uns auf einen Werbebildschirm bezogen, der gesetzter Bestandteil des Gebäudes war, und haben eine intelligente Software entwickelt, die diese Werbebilder transformiert, und mit diesen Informationen unsere sehr grob aufgelöste Fassadeninstallation bespielt. Und in den Zeiten, in denen dieser urbane Bildschirm die nicht vermarkteten Zeiten, also die Werbepausen im wahrsten Sinne des Wortes, normalerweise mit sogenannten pretty pictures – das sind in der Regel Bilder von National Geographic, Wetterberichte oder Kurznachrichten – überbrückt, übernimmt die niedrig auflösende Installation in Form eines Feedbacks sogar die Regie des Werbebildschirms und generiert aus dem Werbematerial etwas Neues; sie nimmt die Werbung als eine Art Rohmateriallager für in Echtzeit generierte künstlerische Videos. Auf wundersame Weise entsteht so eine Ortsreferenz, weil man die gleiche Farbe oder ein Format vielleicht schon mal im Vorbeigehen gesehen hat. Wir stellen also eine Art Erinnerungsfähigkeit der Architektur her.
Unsere Software analysiert im Hintergrund die vorhandenen Bilder in Echtzeit, z.B. auf Schnittgeschwindigkeit, auf Farbverteilung oder auch auf wiedererkennbare Motive. Es werden dann eine Reihe von Algorithmen genutzt, diese Informationen in eine abstrakte Farbbespielung umzuwandeln, die aber in erkennbarer Weise immer etwas mit dem Ursprungsmotiv zu tun hat. Es gibt aber gleichzeitig eine starke Verbindung mit der Architektur, denn unsere Installation übernimmt eine Art Vermittlerrolle zwischen dem eher als architektur-feindlich anzusehenden Werbebildschirm, der versucht dem Gebäude die Show zu stehlen. Die Installation negiert diese nicht, sondern überlagert immer nur die Fassadenteile, die vor Büroräumen liegen, die zu diesem Zeitpunkt ungenutzt sind. Als Projektionsträger nutzen wir die Sonnenschutzrollos, die bei Dunkelheit, gesteuert durch Präsenzmelder, automatisch heruntergefahren werden, wenn sich niemand mehr im entsprechenden Raum befindet. Umgekehrt »öchern« die genutzten Bürozellen die bespielte Fassadenfläche, da hier die »Rollo-Pixel« nicht genutzt werden können – eine ständige Transformation aus Überlagerungen der Nutzer und der computergenerierten Lichtzeichen also.
Sowohl bei BIX als auch am Potsdamer Platz macht ihr die Lichtquellen sichtbar. Sie werden quasi zu grafischen Zeichen und besitzen eine starke 2-D-Komponente. Auch die Bilder – wenn man sie denn so nennen kann – die über die Fassaden flackern, sind stark abstrahiert als Schattenfiguren oder im Falle von Córdoba Licht- und Schattenflecken, die über die Fassade huschen. Steht das Bild am Anfang oder das Leuchtmittel?
Das ist immer auch eine sehr pragmatische Herangehensweise. Leuchtstofflampen haben wir eigentlich nur gewählt, weil die billig waren. Und wir fanden es interessant, eine robuste Technik zu nehmen, die sehr etabliert ist – auch in den Köpfen der Betrachter. Wir wollten uns nicht in diesen Technologiewettkampf begeben: Bin ich neu? Bin ich aktuell genug? – So funktioniert ja heute die Displaytechnologie, aber Architektur altert – wenn es gut läuft – nicht so schnell. Wir wollen, dass unsere Technologie mit dem Gebäude überleben und altern kann. Auf der anderen Seite sind wir auch nicht auf analoge Technologien fixiert – bei der Fassade C4 in Córdoba beispielsweise sind wir in der Planungsphase irgendwann auf LEDs umgestiegen, weil sie mittlerweile billiger geworden waren und es einfach mehr Sinn gemacht hat.
Würdet ihr, wenn ihr nun eine Fassade aus OLEDs machen müsstet, in Schwierigkeiten geraten? Sie sind völlig formlos, nicht greifbar; geben nichts mehr vor – keine Form, keinen Ausdruck …
Zum einen glaube ich, dass diese Technologie noch relativ weit weg davon ist, auf Fassaden eingesetzt zu werden, allein aufgrund der Kosten, UV-Beständigkeit und so weiter. Aber wenn sie denn verwendbar wird, würden auch hier Möglichkeiten entstehen, auf der grafischen Ebene anders zu arbeiten. Man kann Technologien ja auch »hacken« , wie wir es in Graz beim Kunsthaus gemacht haben. Da dachten wir anfangs naiv, man könne die Leuchtröhren gar nicht steuern. Als wir erfuhren, dass es doch möglich ist, haben wir Steuerungsmöglichkeiten dafür entwickelt – und so kam das Moment der Bewegung hinzu.
Wie eben erwähnt haben wir heute interessanterweise auch wieder Projekte, die langsamer werden; wo wir bewusst darüber nachdenken, die Geschwindigkeit der Bilder zu reduzieren. Wir arbeiten an Konzepten für kybernetische Fassaden, die sich vielleicht einmal pro Tag verändern. Die Installation 2×5, die wir 2012 für das neue Perry and Marty Granoff Center for the Creative Arts der Brown University (Providence, Rhode Island) von Diller Scofidio + Renfro entwickelt haben, ist ein Beispiel dafür. Sie besitzt eine Kopplung an das Universitätsjahr: Am Anfang des Jahres neigt die Installation dazu, recht homogen auszusehen; am Ende des Jahres wird sie zunehmend asynchron und die Bilder verändern sich stark. Das Haus bekommt eine Farbcodierung und spiegelt vielleicht die zunehmende Verwirrtheit der Studenten wider.
Das Werk wird begleitet von dem Satz: »Wasn’t there something else yesterday?« Kann man das als eine Art Leitmotiv eurer Arbeit bezeichnen?
Ja, auf jeden Fall. Es geht darum, dass der Wechsel der Installation nicht mehr zum Spektakel wird, sondern man über die Architektur nachdenkt: War das nicht gestern ein anderer Raum? Oder: Was war anders? – Auf der einen Seite arbeiten wir mit einer Kommunikationssprache, die sehr stark aus der Architektur selbst entliehen ist. Sie beinhaltet Fläche, Oberfläche, Farbe, Textur. Andererseits aber auch mit einer langsamen Rhythmik, die eher mit Architektur zu tun hat als mit all den anderen dynamischen Dingen, die sich dauernd ändern müssen, wie Smartphones.
Also geht es euch letztendlich weniger um Kommunikation als um einen Dialog über die Wahrnehmung? Wenn ich dir zuhöre, finde ich, der Ausdruck »Medienfassade« passt wirklich nicht zu dem, was ihr macht …
Wir versuchen schon immer, diesen Begriff zu meiden. Wir reden lieber von dynamischen Oberflächen, denn Fassaden waren immer schon medial und wollten sich mitteilen. Heute haben wir eben andere Instrumente, mit denen wir diese Mitteilungen produzieren können. Dazu gehören neben den klassischen architektonischen Mitteln auch elektronische Medien – und ganz besonders das Licht.