»Gutes Design ist so wenig Design wie möglich.«

Interview mit Dieter Rams

Dieter Rams (*1932) ist einer der einflussreichsten deutschen Designer der letzten Jahrzehnte. Seine Entwürfe für die Firma Braun sind legendär, seine Thesen über Design heute aktueller denn je. Für die Ausstellung »Deutsches Design 1949–1989« sprach Mateo Kries, Direktor des Vitra Design Museums, mit Dieter Rams über die Rolle des Designs in der Gesellschaft.

Welche Situation haben Sie nach dem Krieg vorgefunden? Worauf haben Sie aufgebaut?

Im Grunde genommen war es zuerst unsere Aufgabe, aufzuräumen, wie alle das taten zu der Zeit. Und aus dieser Not heraus hat man sich besonnen aufs Handwerkliche. Bei mir hat auch mein Großvater dazu beigetragen, der Handwerker war. Und dieses Prozedere, das Grundprinzip des Aufräumens habe ich bis heute beibehalten. Wir müssen ja heute wieder aufräumen.

Sind Ihnen bestimmte Dinge, oder Entwürfe in Erinnerung geblieben aus der ehemaligen DDR, die Sie gut gestaltet fanden?

Wenn man als Industriedesigner herangeht, dann muss man zum Beispiel am Trabant einiges gut finden. Das war eine gute Konstruktion, sehr haltbar, der hatte gute Eigenschaften.

Wenn wir uns Ihre 10 Thesen über Design anschauen, dann gibt es darin Begriffe, die man mit einer typisch deutschen Designhaltung verbinden könnte: das Weglassen, die Ehrlichkeit, die Materialgerechtigkeit.

Vielleicht, aber die Thesen habe ich nicht mit dieser Intention geschrieben. Die habe ich zu Papier gebracht, weil Braun, je stärker der internationale Einfluss durch Gillette und andere Faktoren wurde, sich veränderte und ich etwas dagegen setzen wollte. Dass das dann irgendwo ausgewandert ist, sozusagen, das freut mich natürlich, aber war nicht die Absicht. Und die Haltung dieser Thesen würde ich auch nicht als typisch deutsch bezeichnen, sondern die war eher verwurzelt in einer handwerklichen Tradition. Was mich immer begeistert hat, waren die Gerätschaften, die das Handwerk oder Bauern benutzt haben, für bäuerliche Arbeit. Angefangen mit der Mistgabel, das waren alles ausgezeichnete Gerätschaften. Die kann man nicht besser machen. Das ist absolut gutes Design.

In den letzten Jahren haben gerade jüngere Generationen Design wieder in einem weiteren Sinne aufgefasst, gerade mit Blick auf Herausforderungen wie Nachhaltigkeit. Man erkennt, dass man mit Design immer auch eine Gesellschaft gestaltet, und auch unsere Umwelt. Das ist ja eigentlich vergleichbar mit dem, was Sie nach dem Krieg beschrieben haben, das Designer eine ganze Gesellschaft, ein Land mitgestalteten.

Wir bleiben ja ständig an dem Begriff Design, an diesem ausgefransten Begriff hängen, dabei müssten wir eigentlich von Umweltgestaltung sprechen. Denn wie sieht denn unsere gesamte Umwelt aus, die wir ja dabei sind zu zerstören? Das ist unsere Lebensgrundlage. Da liegen doch die Schwerpunkte für Designer heute. Nicht, dass wir eine neue Tasse brauchen, oder ein neues Radio, oder was immer.

Wie lässt sich diese neue Haltung vermitteln?

Vor allen Dingen in der Ausbildung. Die Ausbildung liegt hier zurück. Ich war einmal zu Besuch an einer Designhochschule im Osten, kurz nach der Wende, das war die Burg Giebichenstein in Halle. Das habe ich als positiv empfunden, die dortige Ausbildung. Sie war sehr bezogen auf handwerkliche Fertigkeiten, die ja wichtig sind für Designer, damit sie eigene Modelle fertigen und sich dadurch darstellen können. Diese Ausbildung fand ich besser als im Westen. Ich hatte ja den direkten Vergleich, weil ich lange Jahre an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg unterrichtet habe, wo auch Max Bill gewesen war. (…) Was im Osten in der Ausbildung vorhanden war, das Machen, das Ingenieurhafte, das hat bei uns etwas gefehlt. Sonst wären ja nicht so viele Dinge entstanden, die heute das Wort Design so fragwürdig machen. All das ist nicht nachhaltig. Auch in der DDR ist der Blickpunkt der Nachhaltigkeit nicht vorrangig gewesen. Es ist auch schwer zu fassen, was ist eigentlich Nachhaltigkeit? Ich meine Nachhaltigkeit auch in dem Sinne, dass es nicht bewusst modern gestaltet ist, oder wie ich das Mal anders formuliert habe: gutes Design ist so wenig Design wie möglich.

Alle Informationen zur Ausstellung »Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte« finden Sie hier.