»Innengestaltung will Räume schaffen, in denen wir ein erfüllteres Leben führen können.«

Interview mit Ilse Crawford

Als Gründerin und Kreativdirektorin des Londoner Studioilse hat die bekannte britische Designerin Ilse Crawford zahlreiche Geschäfts- und Privatinterieurs entworfen, darunter die New Yorker Niederlassung des »Soho House« Club und das »Ett Hem« Hotel in Stockholm. Sie ist jedoch auch in Lehre und Forschung tätig: An der Design Academy Eindhoven etablierte sie den Fachbereich »Man and Well-Being«, den sie über 20 Jahre lang leitete. Anlässlich der Ausstellung »Home Stories« sprachen wir mit ihr über ihre Arbeit und ihre umfassenden Erfahrungen im Bereich der Innenarchitektur.

Worum geht es in der Innengestaltung eigentlich?

Aus unserer Sicht ist sie ein Verfahren, das Räume erst richtig bewohnbar macht und dafür sorgt, dass wir uns in ihnen wohlfühlen. Innengestaltung will Räume schaffen, in denen wir ein erfüllteres Leben führen können. Wie die Architektur insgesamt kann sie eine Reihe von abstrakten Werten feststellen und daraus eine sinnvolle materielle Wirklichkeit ableiten.

Arbeiten Sie gern von Anfang an und gemeinsam mit den Architekten an einem Projekt?

Gelungene Interieurs zeichnen sich dadurch aus, dass sie Architektur und Innengestaltung von Beginn an zusammenführen. Leider wenden sich Kunden sehr oft erst an uns, wenn ihnen klar wird, dass sie vom Architekten nicht das bekommen, was sie sich gewünscht haben. Ich erinnere mich an ein Projekt, bei dem der Architekt ziemlich grantig war, als wir einbezogen wurden. Er sagte, er interessiere sich nicht für Menschen, denn seine Hauptverantwortung gelte dem Haus. Obwohl sein Kunde kleine Kinder hatte, plante er das Wohnzimmer mit Blick auf den Garten und die Küche als winzigen Raum mit dem Fenster zur Wand des Nachbarhauses. Ich fragte die Frau des Hauses nach ihrem Tagesablauf: »Ich verbringe zwölf Stunden täglich mit den Kindern in der Küche. Im Wohnzimmer halte ich mich am Sonntag mal für eine Stunde auf – vielleicht«, war ihre Antwort. Also verlegten wir die Küche in ein schöneres Zimmer mit Blick auf den Garten und richteten anstelle der vorherigen Küche eine Sitzecke ein. Mit dem Architekten tüftelten wir eine Lösung aus, bei der der größere Raum in seiner architektonischen Gestalt erhalten blieb. Architekten lernen in ihrer Ausbildung nicht, ihren Kunden solche persönlichen Fragen zu stellen. Sie achten vor allem auf die Formensprache des Hauses und seinen Stellenwert in der Straße, im Stadtviertel oder im Zusammenhang eines Sanierungsvorhabens. Sie betrachten ein Haus mit anderen Augen als wir.

Wie entstand Ihr Wunsch, als Innengestalterin zu arbeiten?

Ich habe mich nie darum gerissen, in der Innengestaltung zu arbeiten! Aber mich hat immer begeistert, wie Häuser auf uns wirken und unser Verhalten beeinflussen können, wie man sich darin so oder so fühlen und handeln kann. Ich erkenne ganz klar, wie manche Räume in uns ein Gefühl der Freiheit erzeugen und andere das Gegenteil bewirken. Ich habe Geschichte und Architekturgeschichte studiert und wollte unbedingt Architektin werden, aber daraus wurde nichts. Stattdessen arbeitete ich zuerst als Journalistin beim Architects’ Journal und bekam dann 1989 das Angebot, Elle Decoration zu machen. Mich interessierte damals, wie man Räume in ihrer Gesamtheit als Orte eines dichten, vielschichtigen Entwerfens und Gestaltens beschreiben konnte, auch wie sich durch Interieurs neue Wirklichkeiten erschaffen ließen. Auf jeden Fall konnte ich mit der Art, wie Design damals diskutiert wurde, nichts anfangen, denn da ging es immer nur um den »Look« und um den Ehrgeiz von Neureichen, um das Leben auf dem Land, um Ralph Lauren und mattes Schwarz. Meine Welt war eher Punk, Vivienne Westwood und Tom Dixon.

Alle Informationen zur Ausstellung »Home Stories. 100 Jahre, 20 visionäre Interieurs« finden Sie hier.