»Man muss große Fehler begehen, um einen Garten zu kreieren.«
Interview mit Piet Oudolf
Piet Oudolfs berühmte Gärten muten oft wild und natürlich an, sind aber präzise geplant. Für den Gartenkünstler bedeutet die Arbeit mit Pflanzen absolute Freiheit – eine Erfahrung, die er jedem wünscht.
Annemarie Ballschmiter: Wenn man Ihre Kompositionen ansieht, stellt man fest, dass Sie Lilatöne lieben und bei der Note Gelb sehr zurückhaltend sind.
Piet Oudolf: Gelb kann sehr dominant sein. Aber ich setze diese Pflanzen durchaus ein, denn die Blühperiode dauert ja nur ein paar Wochen. Es hängt vom Charakter der Pflanze ab und davon, was von ihr übrigbleibt, das einen Garten interessant macht. Gelb mag für das Auge nicht so angenehm sein, aber ich brauche diese Pflanze später im Jahr wegen ihres Charakters.
Sind Formen und skulpturale Qualitäten wichtiger als Farbe?
Bei der Gestaltung eines Gartens geht es nicht um eine Pflanze, die blüht, sondern darum, wie sie mit all den anderen Pflanzen zusammenwirkt, es geht um Gemeinschaften. Eine blühende Pflanze ist erst der zweite Schritt, nicht der erste, wenn du einen Garten komponierst.
Was war der erste Schritt, als es um das Konzept für den Vitra-Garten ging?
Es gab viele Optionen auf dem Gelände. Ich konnte den Ort frei wählen und entschied, dass es schön wäre, ihn direkt vor dem VitraHaus anzulegen. Sodass die Menschen, wenn sie dort herauskommen, den Garten sehen und dorthin eingeladen werden. Das war unsere Leinwand. Ungefähr 4.000 Quadratmeter, das ist eine gute Größe für einen Garten.
Was passiert dann mit der Leinwand?
Dann folgt eine Art Masterplan, wie sich die Leute im Garten bewegen sollen, und wir mussten die Arbeiten der Bouroullec-Brüder integrieren, den Ring und den Brunnen. Als Basis schufen wir ein System aus Wegen, auf denen die Menschen sich im Garten verlieren können. Deswegen wollten wir nichts Lineares, sonst geht man durch den Garten hindurch, anstatt zu schauen, was einen umgibt. Wenn das erledigt ist, gehen wir zurück in unser Büro und machen eine Liste der Pflanzen, von denen wir wissen, dass sie dort funktionieren. Und dann suche ich eine Pflanze von dieser Liste aus und beginne zu komponieren.
Beginnen Sie immer mit derselben Pflanze?
Nein, das ist Zufall. Dann bringe ich sie in bestimmten Abständen zu Papier, nehme die zweite Pflanze und so weiter. Der Designprozess ist jedes Mal ähnlich, aber eben nie gleich.
Sie haben die Art, wie man heute Gärten anlegt, verändert und für die skulpturalen Qualitäten nicht blühender Pflanzen sensibilisiert.
Man muss die Qualitäten einer Pflanze über alle Jahreszeiten hinweg betrachten. Sie kann früh blühen, aber sie kann im November immer noch wundervoll aussehen, weil ihr Skelett so schön ist. Es gibt fantastische Disteln. Oder auch Eryngium, Achillea, Echinacea. Solche Pflanzen, die über die Jahreszeiten hinweg reizvoll aussehen, bilden das Grundgerüst meiner Gärten.
Gibt es Pflanzen, die notorisch unterschätzt werden?
Vor 30 Jahren habe ich ein Buch über unterschätzte Gartenpflanzen geschrieben. Heute sind diese alle gebräuchlich. Die meisten Pflanzen, die ich benutze, habe ich in den Handel gebracht, Eupatorium zum Beispiel. Oder Pflanzen, die zwei Meter hoch wachsen, wie Miscanthus. So etwas wollten die Menschen damals nicht im Garten haben. Ich wiederum mochte sie, weil sie ein Ersatz für Sträucher sein können. Genauso verkannt waren Gräser. Als ich anfing, Gärten zu gestalten, waren die Leute so auf englische Gärten und Blühpflanzen fixiert, dass sich damals fast niemand für sie interessierte.
Was ist der größte Fehler, den ein Hobbygärtner in seinem Garten begehen kann?
Man muss große Fehler begehen, um einen Garten zu kreieren. Man muss alles ausprobieren. Und am Ende bekommst du ein Gefühl dafür. Gärtnern ist ein Lernprozess.
Was würden Sie Garteninteressierten gern mit auf den Weg geben?
Tut nicht, was ich tue. Tu, was du kannst und was du willst. Sei es, in deinem Hinterhofgarten Gemüse anzubauen, sei es, Pflanzen aus Samen zu ziehen, oder kauf dir Blumen. Und: Mach mehr. Mit Pflanzen zu arbeiten ist eine so tief gehende Erfahrung. Stellen Sie sich ein Kind vor, das Samen in die Erde steckt und erlebt, wie etwas daraus wächst. Mit Pflanzen zu arbeiten bedeutet Freiheit. Freiheit zu tun, was du willst.
Das Gespräch ist ein Auszug aus dem am 20.06.2021 erschienenen Interview »Ich komponiere mit Pflanzen«, veröffentlicht in Welt am Sonntag, von Annemarie Ballschmiter
Alle Informationen zur Ausstellung »Garden Futures: Designing with Nature« finden Sie hier.