»Ich interessiere mich für Roboter, die mir unangenehm sind; die mir das Gefühl geben, auf dünnem Eis zu stehen.«
Interview mit Superflux
Superflux ist ein multidisziplinäres Designstudio mit Sitz in London. Als Protagonist des sogenannten Critical Design trägt Superflux durch die Gestaltung spekulativer, fiktiver Zukunftsszenarien zur Diskussion über aktuelle gesellschaftliche Fragen bei. Mitgründerin Anab Jain spricht mit Amelie Klein, Kuratorin der Ausstellung »Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine«, darüber, was sie sich von Robotern wünscht und was ihre Hoffnung für die Zukunft ist.
Amelie Klein: Was ist Ihrer Meinung nach eigentlich ein Roboter?
Anab Jain: Roboter sind ein sehr komplexes Phänomen, nicht wahr? Wenn etwas eine gewisse Intelligenz und Empfindungsvermögen besitzt, dann ist es vielleicht ein Roboter. Mich interessiert vor allem, woran wir Empfindungsvermögen festmachen und was es bedeutet. Ich interessiere mich für Roboter, die mir unangenehm sind; die mir das Gefühl geben, auf dünnem Eis zu stehen und vielleicht die Kontrolle zu verlieren. Ich möchte provoziert werden und mich wirklich fragen müssen, was es heißt, ein Mensch zu sein.
Ich denke, so ein Kontrollverlust ist schwer auszuhalten.
Ja, davor haben die Menschen wohl die größte Angst: dass die Roboter die Macht übernehmen und wir die Kontrolle verlieren. Das ist eine sehr natürliche Angst, aber ich frage mich, was diese Kontrolle uns – also der Menschheit – eigentlich gebracht hat. Vielleicht hat sie doch nur dazu geführt, dass wir uns gnadenlos selbst überschätzen und glauben, wir wären total überlegen, der Nabel der Welt. Die Frage, was ein Roboter ist, kann also zu einem sehr philosophischen Gespräch darüber führen, was es bedeuten könnte, diese Hybris hinter sich zu lassen. Was würde es bedeuten, ein fühlender Mensch zu sein und sich auf eine symbiotischere Beziehung mit anderen Menschen und anderen, nichtmenschlichen Wesen einzulassen? Wohin würde so eine Beziehung führen, wie würde sie aussehen? Ich weiß es nicht, aber ich bin neugierig.
In der Ausstellung »Hello, Robot.« ist eine neuere Arbeit von Superflux zu sehen, ein Film namens »The Intersection«. Er spielt in einer nahen, dystopischen Zukunft, die unserer Gegenwart sehr ähnelt, endet aber mit einem Funken Hoffnung.
Das war ein sehr schwieriges Projekt. Unser Auftrag war, eine hoffnungsvolle Zukunftsvision zu entwickeln. Für uns ist es ein Zeichen der Hoffnung, wenn Menschen beschließen, nicht trotz, sondern wegen ihrer Unterschiede zusammenzukommen, ein Gespräch zu führen und einen Kreis zu bilden, in dem Fürsorge möglich ist. Es macht mir Hoffnung, wenn ich der Tatsache ins Auge sehe, dass Krisen unvermeidlich sind, dass wir mitten in einer Krise stecken – und dass wir eigentlich stets Mittel und Wege finden, diesen Krisen einfallsreich und bescheiden entgegenzutreten. Das ist möglich. Es muss möglich sein zum Wohle zukünftiger Generationen. Vielleicht werden wir nicht in dem materiellen Wohlstand leben, den wir heute gewöhnt sind, aber es kann trotzdem gut sein. Es wird anders gut sein.
Der Leitspruch von Superflux lautet: »Zukünftige Ungewissheit in heutige Entscheidungen übersetzen.« Was bedeutet das?
Zur Zeit liegt so viel im Ungewissen. Wenn wir versuchen, zumindest manche dieser tiefgreifenden Ungewissheiten auszuloten und sie als Weltentwürfe auszuarbeiten, die man tatsächlich betreten und erleben kann, dann können wir uns mit dieser Ungewissheit – der Bedrohung und Sorge – schon heute in einem relativ sicheren Umfeld befassen. So denken wir an die Zukunft nicht als etwas, das uns zustoßen wird, sondern als Spektrum von Möglichkeiten, zwischen denen wir wählen können, und treffen dadurch hoffentlich besser fundierte Entscheidungen.
Das Problem ist, dass wir sehr komplexen Fragen gegenüberstehen, auf die es keine einfachen Antworten gibt. Im Gegenteil – und das ist eine der Kernaussagen von »Hello, Robot.« – oft scheinen total widersprüchliche Antworten gleichermaßen richtig zu sein. Wie sollen wir damit umgehen?
Der Zapatismus [Anm.: eine sozialrevolutionäre Philosophie] spricht von einer Welt, in der viele Welten existieren. Wir entwickeln in unserer Arbeit immer nur eine mögliche Zukunft, und in einer Welt, in der wir uns einig sind, dass viele divergente Ideen und Standpunkte gedeihen können, müssen wir nicht alles im Sinne von »meine Wahrheit oder keine« verteidigen. Wir können eine gemeinsame Basis finden, um ein Gespräch zu führen, gleichzeitig aber unsere Verschiedenheit anerkennen und sogar wertschätzen. Leichter gesagt als getan, ich weiß.
Alle Informationen zur Ausstellung »Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine« finden Sie hier.