»Viele Designer sammeln gerne Objekte, weil sie Referenzen brauchen.«
Die Entwürfe des Designstudios Raw Edges zeichnen sich durch einen spielerischen Umgang mit Farben und Mustern aus. Bekannt wurden die Designer mit Arbeiten für Firmen wie Kvadrat, Moroso oder Luis Vuitton. Für das Vitra Design Museum haben sie die Ausstellung »Alexander Girard« in Szene gesetzt. Chef-Kurator Jochen Eisenbrand sprach mit Shay Alkalay, neben Yael Mer einer der beiden Partner des Studios, über die Aktualität von Girards Werk.
Woher kommt der Name Ihres Studios?
Nach unserem Abschluss wurden wir angefragt, eine Kollektion von Koffern zu gestalten. Wir schauten uns um und langweilten uns: Alle Koffer waren so »glatt«. Wir wollten etwas mit Charakter entwerfen. Drei Monate versuchten wir unseren Kunden zu überzeugen, sich auf unsere Ideen einzulassen; dabei ist immer wieder der Begriff »Raw Edges« (etwa: Ecken und Kanten) gefallen. Schließlich kam die Zusammenarbeit doch nicht zustande, aber wir haben seitdem unseren Studionamen.
Wie entwickeln Sie die Ideen für Ihre Objekte?
Neugier ist ein vorherrschender Faktor in unseren Entwürfen. Wir möchten, dass auch Erwachsene überrascht sind und wie Kinder auf unsere Projekte reagieren können, diese sofort berühren, verstehen und entdecken möchten. Wir versuchen in der Regel ein Leitprinzip für jedes Projekt zu finden. Dies kann ein neuer Mechanismus sein, eine überraschende Materialkombination, vielleicht ein neues Herstellungsverfahren oder eine alternative Möglichkeit der Produktnutzung. Sobald dieses Leitprinzip gefunden ist, entwickeln die Objekte sich wie von selbst weiter.
Was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie an Girard denken?
Der Kontrast in seinen Grafiken. Einerseits sind sie sehr modern und präzise, andererseits haben seine Figuren etwas Exzentrisches an sich, wahrscheinlich inspiriert durch die Volkskunst. Zum Beispiel gibt es dieses Stoffpanel von einem Mädchen, das halb Mädchen, halb Baum ist und dessen Kopf aussieht wie die Sonne. Gerade dieser Kontrast zwischen einfachen Grafiken und komplexen Bedeutungen macht Girard für mich so einzigartig.
Sie haben sich nun monatelang mit Girard auseinandergesetzt. Hat Sie etwas überrascht?
Ja, die Sammlung an Volkskunst und ihre große Bedeutung für Girards Arbeit. Ich kannte die Endprodukte, wusste aber nicht, woher dieser prägende Einfluss kam. Girard beschäftigte sich intensiv mit anderen Kulturen, aber seine Arbeit wirkt nicht kunsthandwerklich. Man kann nur erahnen, dass sie vom Kunsthandwerk inspiriert wurde.
Gibt es etwas in Girards Arbeit, das für heutige Designer relevant ist?
Zu Girards Schaffenszeit legten die Designer den Grundstein für den Lebensstil, den wir noch heute haben. Der Einrichtungsstil hat sich seither nicht stark geändert. Girard gehörte zu denen, die ihn begründeten.
Was glauben Sie, warum so viele Designer, wie Girard, sammeln?
Viele Designer sammeln gerne Objekte, weil sie Referenzen brauchen. Wenn Designer etwas sammeln, entsteht eine Fundgrube von Ideen, Sprachen und Materialkombinationen.
Gibt es ein Gestaltungsmerkmal von Girard, das Sie als Lieblingsdesign bezeichnen würden?
Ich mag sehr den häufigen Einsatz von Nischen. Es gibt dieses Bild von einem Hund, der in einer Nische in der Wand sitzt. Das hat fast etwas Magisches. Eine Nische ist etwas sehr Einfaches, aber Girard hat sie so häufig und auf so unterschiedliche und oft auch witzige Weise gestaltet.