Iwan Baan. Momente der Architektur
21.10.2023 – 03.03.2024
Vitra Design Museum
Iwan Baan gilt als einer der bedeutendsten Fotografen für Architektur und die gebaute Umwelt. In eindrücklichen Bildern dokumentiert er das Wachsen globaler Megacities ebenso wie traditionelle oder informelle Bauten und die Werke bekannter zeitgenössischer ArchitektInnen, darunter Rem Koolhaas, Herzog & de Meuron, Kazuyo Sejima und Tatiana Bilbao. Von Oktober 2023 bis März 2024 widmet das Vitra Design Museum dem niederländischen Fotografen die erste umfassende Retrospektive. Die Ausstellung »Iwan Baan. Momente der Architektur« zeigt mit dem breit angelegten Werk des Fotografen ein Panorama der Architektur des frühen 21. Jahrhunderts in ihren urbanen und sozialen Zusammenhängen, und die Menschen, die darin leben.
Über die letzten 30 Jahre hat die rasante Verbreitung der digitalen Medien die Welt der Fotografie und Architektur von Grund auf verändert. Bilder neuer Gebäude werden heute in Echtzeit übermittelt, begleiten den Aufstieg von ArchitektInnen, beeinflussen den gestalterischen Prozess und machen Architektur – zumindest visuell – jederzeit und überall verfügbar. Kaum ein anderer Fotograf hat diese Entwicklung so stark geprägt wie Iwan Baan. Seine Arbeitsweise ist schnell und präzise und er schafft Bilder, die zugleich prägnant, poetisch und menschlich wirken. Baan weiß Gebäude perfekt ins Bild zu setzen, fängt aber auch die Momente ein, in denen Architektur lebendig wird, wenn die Bauarbeiter eine Pause machen, wenn Menschen ein- oder ausziehen. Viele ikonische Bilder der letzten 20 Jahre – von den »offiziellen« Porträts architektonischer Wahrzeichen bis hin zu Fotos eines durch den Wirbelsturm Sandy ins Dunkel getauchten Manhattan entstanden durch Baans dokumentarischen Blick.
Die Ausstellung zeigt Beispiele aus allen Bereichen von Baans Schaffen seit den frühen 2000er Jahren, darunter auch Filmmaterial und wenig bekannte Bilder informeller Bauten, vom chinesischen Runddorf bis zur äthiopischen Felsenkirche, von im Eigenbau entstandenen Etagenhäusern in Kairo bis hin zum Torre David in Caracas. »Wichtig ist das Erzählen«, sagt Iwan Baan. »Und das ist sehr intuitiv und fließend. Mir geht es weniger um zeitlose Bilder großer Architektur als um den spezifischen Zeitpunkt, um den Ort und die Menschen dort – all die unvorhergesehenen, unplanbaren Momente an und um einen Ort, wie die Menschen dort leben und welche Geschichten dadurch erzählt werden.«
China
Baans Fokus auf Architektur geht auf eine Begegnung mit dem niederländischen Architekten Rem Koolhaas im Jahr 2004 zurück. Der erste Teil der Ausstellung zeigt eine Reihe von Bildern, die zwei monumentale Projekte in Peking dokumentieren: der CCTV-Hauptsitz von Koolhaas’ Architekturfirma OMA (2002–2012) und das Olympiastadion von Herzog & de Meuron (2003–2008). Dabei schauen Baans Fotos auch hinter die schönen Fassaden und zeigen die Arbeit und den Alltag der Bauarbeiter, die sie errichteten, oft unter schwierigen Bedingungen. Zahlreiche bisher unveröffentlichte Fotografien veranschaulichen zudem, wie Baan Architektur als Prozess und soziale Kraft begreifen lernte – und als Sinnbild für Chinas Aufstieg zur globalen Supermacht. Weitere Fotoserien in diesem Teil der Ausstellung dokumentieren daher den chinesischen Bauboom der frühen 2000er Jahre, sowie kontrastierende traditionelle Bauformen.
Perspektiven
Seit dem ersten gemeinsamen Projekt mit Rem Koolhaas hat Baan über die Jahre dauerhafte Kontakte zu zahlreichen namhaften ArchitektInnen geknüpft. Herzog & de Meuron, Francis Kéré, Sou Fujimoto, Tatiana Bilbao, Diller Scofidio + Renfro, SANAA, Toyo Ito und viele andere lassen ihre Projekte vorzugsweise von Iwan Baan dokumentieren. Baan fängt den Charakter und den Kontext eines Bauwerks ein, indem er aus dem Hubschrauber heraus angefertigte Luftaufnahmen mit einer Reihe unterschiedlicher Perspektiven vom Panoramabild bis hin zur Nahaufnahme kombiniert. Die meisten ArchitektInnen vertrauen seinem fotografischen Gespür und überlassen ihm die Auswahl der Motive und Blickwinkel. Der Moment ist entscheidend: Statt auf »ideale« Bedingungen zu warten, arbeitet Baan mit dem Augenblick – und schafft dabei fast nebenbei die prägenden Aufnahmen, die das öffentliche Bild der von ihm fotografierten Gebäude bestimmen. Der zweite Teil der Ausstellung bietet einen Überblick über diesen Bereich seines Schaffens, der von Zaha Hadids MAXXI Museum in Rom über SANAAs Rolex Learning Center in Lausanne und Toyo Itos National Taichung Theatre in Taiwan bis hin zu Balkrishna Doshis Projekten in Ahmedabad reicht.
Städte
Mit seiner Arbeit reist Iwan Baan um die ganze Welt und erkundet dabei boomende Megastädte auf allen Kontinenten. Er dokumentiert das Auf und Ab der Baubranche, die zunehmende Bevölkerungsdichte, städtische Entwicklungen und persönliche Geschichten. Ob in Tokio, Lagos, São Paulo oder Hongkong, Baan erweist sich als ein Chronist urbaner Räume. Er befasst sich immer wieder mit Themen wie Städtewachstum, dem Erbe der Moderne, Globalisierung und lokalen Gemeinschaften. Urbanen Ikonen der Moderne wie Brasília oder Chandigarh widmet er sich mit dem gleichen Interesse wie dem Messegelände in Dakar, das 1975 von Jean-François Lamoureux und Jean-Louis Marin entworfen wurde, oder den wuchernden Vorstädten von Los Angeles. Dabei nutzt Baan die Leichtigkeit der digitalen Fotografie, um den Moment einzufangen, ist sich der Bildmacht einer sorgfältig angelegten Komposition jedoch wohl bewusst.
Kontinuitätslinien
Während seiner Auftragsreisen fotografiert Baan häufig auch informelle oder traditionelle Gebäude. Ob in Japan, Burkina Faso, Haiti oder Indien, stets interessiert er sich für die oft über Jahrhunderte entstandenen Lebensweisen und Wohnkulturen, die bestens an die örtlichen Bedingungen angepasst sind und dennoch über die Kontinente hinweg erstaunliche Ähnlichkeiten aufweisen. Eines dieser Projekte dokumentiert die vermutlich größte Zeltstadt der Welt, die alle zwölf Jahre anlässlich des hinduistischen Fests Kumbh Mela entsteht, wenn etwa 50 bis 80 Millionen PilgerInnen in das indische Prayagraj strömen. Ein weiteres Projekt widmet sich dem Torre David in Caracas, Venezuela: BewohnerInnen der Stadt besetzten das unfertige, leerstehende Gebäude und richteten in der rohen Betonstruktur Wohnungen und Geschäfte ein. Mit seiner Fotoserie, die 2012 als Teil des Beitrags von Urban Think Tank (Alfredo Brillembourg und Hubert Klumpner) und Justin McGuirk mit dem Goldenen Löwen der Architekturbiennale Venedig geehrt wurde, schuf Baan eine berührende Studie.
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